Beschreibung des Vorschlags
Einleitung:
Die französische Hauptstadt Paris (2.145.000 EW) ist für ihr reges Nachtleben bekannt. Dennoch ist der Nachtbetrieb der Metro eingeschränkt, obwohl sie viele Kneipen- und Szenenviertel bedient (u.a. die Place de la Bastille, die Place du Chatelet oder die Champs-Elysees) und auch in der Nacht noch gut gefüllt sind. Derzeit ist der Betriebsschluss der Metro werktags gegen 1:15 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen erst gegen 2:15 Uhr – der Betriebsbeginn ist bei allen Linien um 5:30 Uhr. Zwischen diesen Zeiten sind Nachtschwärmer auf den Noctilien (Nachtbus) angeweisen, welcher zwar sämtliche Metro- und RER-Stationen bedient, sich aber dafür durch die Innenstadt quält und zudem auch stark nachgefragt ist – 2016 wurden täglich 22.000 (werktags) bis 36.000 Fahrgäste (Wochenende) registriert.
Wenn man bedenkt, dass Paris auch für ihre schlechte Luftqualität bekannt ist und Noctilien auch mit konventionellen Bussen betrieben werden, dann kann man sich denken, dass auch der Nachtbus einen großen Beitrag für die Luftverschmutzung leistet und sehr viel Personal in Anspruch nimmt. Mittlerweile werden jedoch einzelne Metrolinien vollautomatisch betrieben (derzeit: 1, 4 und 14), außerdem wurde September 2019 auf einzelnen Metro- und Straßenbahnlinien probeweise ein durchgängiger Nachtbetrieb eingeführt (galt an einem Samstag im Monat) – auf der Website der RATP wird letzteres nicht mehr angezeigt, sodass dieses Angebot nicht mehr gilt.
Damit die Luftverschmutzung zumindest nachts reduziert und der ohnehin nachgefragte Nachtverkehr attraktiviert wird, schlage ich – zunächst für die Linie 1 – einen dauerhaften und durchgehenden Nachtbetrieb vor.
Warum gerade diese Linie?
Die 1 ist für einen durchgehenden Nachtbetrieb prädestiniert, wofür gleich mehrere Faktoren sprechen:
- Es wird auf vollautomatischen Betrieb gesetzt, sodass keine Personalkosten anfallen.
- Sie gilt heute als die am zweitstärksten frequentierte Metrolinie des Pariser Metronetzes.
- Die 1 hält auf ihrem Linienweg an vielen Szenen- und Kneipenvierteln (Champs-Eleysees, Place du Chatelet, Place de la Bastille) sowie an mehreren Knotenpunkten (La Defense, Charles de Gaulle Etoile, Chatelet, Gare de Lyon und Nation).
- Dabei werden auch 2/5 der Noctilien-Knoten (Chatelet, Gare de Lyon) bedient, sodass zahlreiche Noctilien-Linien erreicht werden können
- An beiden Enden werden Teilgebiete folgender Pariser Vororten angefahren: La Defense (Courbevoie, Nanterre und Puteaux) im Westen, und Vincennes.
Fahrplan:
Während des o.g. Probebetriebes fuhr alle 10 Minuten eine Metro, die parallel verkehrenden Noctilien haben jedoch abweichende Taktzeiten (Fahrpläne jeweils hier abrufbar):
- N11 Pont de Neuilly – Chateau de Vincennes: T30 (Mo-Fr), T10 (Sa-So)
- N15 Bourse de Commence (Louvre) – Chatelet: T30 (Mo-Fr), T10 (Sa-So)
- N16 Louvre-Rivoli – Gare de Lyon: T22 (Mo-Fr), T10 (Sa-So)
- N24 La Defense – Chatelet: T30 (Mo-Fr), T20 (Sa-So)
- N153 Pont de Neuilly – Charles de Gaulle Etoile: T60 (täglich)
Somit überlagert sich das Angebot wie folgt (kleinste Anzahl = Werktage, größte Anzahl = Wochenende):
- La Defense – Pont de Neuilly: 2-3 Fahrten/h
- Pont de Neuilly – Charles de Gaulle Etoile: 5-10 Fahrten/h
- Charles de Gaulle Etoile – Louvre-Rivoli: 4-9 Fahrten/h
- Louvre(-Rivoli) – Chatelet: 8-21 Fahrten/h
- Chatelet – Gare de Lyon: 4-12 Fahrten/h
- Gare de Lyon – Chateau de Vincennes: 4-9 Fahrten/h (nur an gemeinsamen Haltestellen des N11 und des N33)
Wenn man den Bildern Glauben schenkt (Beispiel), dann werden auf den Noctilien hauptsächlich Busse eingesetzt, die deutschen Solo- oder Überlandbusse ähneln. Wenn man die von mobil.nrw angegebenen Gesamtkapazitäten übertragen kann (Solobus: 95-110 Fahrgäste, Überlandbus: 82-88 Fahrgäste) und diese mit denen der auf der 1 eingesetzten MP 05 vergleicht (638 Fahrgäste), dann ergeben sich folgende Anteile (jeweils pro Fahrt):
- Solobus/MP 05: 14,89-17,24% der Gesamtkapazität des MP 05
- Überlandbus/MP 05: 12,85-13,79% der Gesamtkapazität des MP 05
Da die Noctilien jedoch nach Angaben einer Touristenseite sehr beliebt sind und sogar voll werden, halte ich sowohl einen 24/7-Betrieb als auch einen dichten Takt für gerechtfertigt. Die 1 soll daher in den Nächten alle 10 Minuten fahren.
Als vorzeitige Endstationen wären lediglich die Stationen Porte Maillot und Argentine (jeweils im Westen) möglich, zumal laut Gleisplan nur wenige Wendemöglichkeiten vorhanden sind – da es aber jeweils nur wenige Stationen bis zur eigentlichen Endstation in La Defense sind, halte ich ein vorzeitiges Wenden für wenig sinnvoll.
Änderungen im Noctilien-Netz:
Da die 1 bereits heute von den o.g. Noctilien-Linien abgedeckt ist, die Fahrgastmassen jedoch vom Bus auf die Metro verlagert werden sollen, muss das Noctilien-Netz umfangreich verändert werden:
- Die Linie N153 soll nicht mehr nach Paris geführt werden, sondern in La Defense enden.
- Der N24 wird auf dem Pariser Abschnitt eingestellt und endet ebenfalls in La Defense.
- Dagegen wird der N11 komplett eingestellt, da er auf seiner Gesamtstrecke parallel zur 1 fahren würde.
- Die Linien N15, N16 und N33 sollen bestehen bleiben, zumal der Parallelverkehr zur 1 zu kurz für eine Einstellung wäre. Der N33 bedient außerdem zwischen Gare de Lyon und Aubert komplett andere Haltestellen als der N11, sodass eine Einstellung nicht zweckmäßig wäre.
- Alle wegfallenden Leistungen werden durch Fahrten der 1 und möglichst gute Anschlüsse von/zu den verkürzten Linien N24 und N153 in La Defense ausgeglichen.
Vor- und Nachteile:
Der 24/7-Betrieb der Linie 1 hätte mehrere Vorteile:
- Durch den nahezu durchgehenden Betrieb im Tunnel werden Anwohner und Fahrgäste weniger bis nicht mehr durch vom Noctilien verursachte Lärmgeräusche und Abgase gestört. Außerdem reduziert sich die Fahrzeit von A nach B ggü. dem Nachtbus.
- Die 1 hält auf ihrem Linienweg an vielen Szenen- und Kneipenvierteln (Champs-Eleysees, Place du Chatelet, Place de la Bastille) sowie an mehreren Knotenpunkten (La Defense, Charles de Gaulle Etoile, Chatelet, Gare de Lyon und Nation), sodass sie mehrere Fahrgäste aufnehmen kann. Davon sind Gare de Lyon und Chatelet wichtige Noctilien-Knotenpunkte.
- Die Metro hat deutlich mehr Kapazitäten als der Bus: Die 1 im T10 bietet Platz für bis zu 3.828 Fahrgäste/h, 21 Busse/h bieten jedoch nur für 1.995-2.310 Fahrgäste/h Platz. Damit werden Nachtschwärmer und weitere sonstige, bisherige Nutzer des Noctiliens erheblich entlastet, die wegen der Auslastung des Noctiliens z.T. eine Fahrt aussetzen oder ein Taxi anrufen müssen.
- Es wird bereits auf vollautomatischen Betrieb gesetzt, sodass keine Personalkosten anfallen. Auch Wochenend- und Nachtzuschläge fallen weg, sodass der durchgehende Nachtbetrieb relativ kostengünstig wäre.
- Auf den Abschnitten La Defense – Pont de Neuilly und Gare de Lyon – Chateau de Vincennes wird die Fahrtenanzahl an allen Wochentagen erhöht, auf den Abschnitten Pont de Neuilly – Gare de Lyon trifft das an Werktagen zu.
Dennoch gibt es auch einige Nachteile:
- Durch die Verkürzung der Linien N24 und N153 bis La Defense wird – je nach Fahrtziel – ein weiterer Umsteigezwang geschaffen.
- Auf dem größten Teil des Linienweges (Pont de Neuilly – Gare de Lyon) verschlechtert sich das Fahrtenangebot teilweise deutlich, jedoch wird dieses Defizit durch die höhere Kapazität ausgeglichen. Ansonsten kann noch der Takt zumindest zwischen Porte Maillot / Argentine und Chateau de Vincennes auf einen T5 verdichtet werden, wenn man die Angebotsverschlechterung minimieren möchte – an beiden Endpunkten sind Wendemöglichkeiten vorhanden.
- Auf betrieblicher Ebene werden Verschleiß und somit auch Wartungs- und Reparaturkosten erhöht, sodass sich der Vorteil mit den wegfallenden Personalkosten (teilweise) relativiert.
Auf betrieblicher Ebene werden Verschleiß und somit auch Wartungs- und Reparaturkosten erhöht, sodass sich der Vorteil mit den wegfallenden Personalkosten (teilweise) relativiert.
Wichtiger noch: Wartungs- und Reperaturarbeiten können nicht in der nächtlichen Betriebspause durchgeführt werden sondern benötigen extra Sperrpausen, in diesen Nächten muss der Fahrplan dann ausgedünnt werden oder wieder zurück auf die Busse verlagert werden.
Oder hat die Metro-Linie genug Gleiswechsel um im T10 einen teilweise eingleisigen Betrieb zu ermöglichen?
in diesen Nächten muss der Fahrplan dann ausgedünnt werden oder wieder zurück auf die Busse verlagert werden.
Man könnte in dieser Zeit auch den Takt halbieren: Einmal die 1 im T20 und einmal der N11/N24 im T20. Der N24 fährt an Wochenenden ohnehin im T20, beim N11 wäre der Takt halbiert worden. Ich denke bei mind. 6 Fahrten/h (auf weiten Abschnitten sind es tatsächlich mehr Fahrten) sollte der Notfahrplan der 1 verkraftbar sein.
Oder hat die Metro-Linie genug Gleiswechsel um im T10 einen teilweise eingleisigen Betrieb zu ermöglichen?
Laut diesem Gleisplan gibt es um folgende Stationen herum Weichen, um auf das Gegengleis zu wechseln:
– La Defense
– Esplanada de la Defense
– Les Sablons
– Porte Maillot
– Charles de Gaulle Etoile
– Concorde
– Chatelet
– Gare de Lyon
– Nation
– Chateau de Vincennes
Da die 1 eine starke Nachfrage verzeichnet, wäre ein eingleisiger Betrieb m.M.n. nur an den Außenästen sinnvoll (La Defense – Porte Maillot und Gare de Lyon / Nation – Vincennes), da es innerhalb der Stadt mit der Auslastung kritisch werden könnte.
Ansonsten gilt, dass man theoretisch auch das RER nachts fahren lassen könnte (es fährt ja überwiegend auf eigenen Gleisen, eine Teilautomatisierung hat sogar stattgefunden). Von diesem hätten jedoch nicht alle was von, weil die Linie A zwischen La Defense und Nation nur vier Zwischenhalte hat, die 1 jedoch 18.