Beschreibung des Vorschlags
Ich schlage eine neue U-Bahn-Strecke für Berlin vor, die vom Südkreuz über den Alexanderplatz und die Landsberger Allee verkehrt bevor sie ab Weißensee die wesentlichen Wohnungsbaupotenziale erschließt.
Der Vorschlag ähnelt in mancher Hinsicht den offiziellen Planungen für eine U3 nach Karow Süd, bzw. den diversen Vorschlägen hier im Forum (nur als Beispiele hier zwei Vorschläge von Triops und Berlin-Planer). Er hat aber einige Unterschiede, die aus der grundsätzlich anderen U-Bahn-Technologie resultieren. Zum einen bin ich der Meinung, dass die Vorstellungen für eine moderne U-Bahn in Berlin im wesentlichen in den 1980er Jahren stehen geblieben sind, d.h. Großprofil mit Teilautomatisierung und Langzügen im 5-Minuten-Takt. Hinzu kommt die typisch berlinerische Selbstüberschätzung sich für eine globale Metropole zu halten, wenn selbst im europäischen Maßstab, die Stadt mit einer Metropolregion von ca. 6 Millionen Einwohner:innen nur auf Platz 10 liegt (zum Beispiel deutlich hinter Rhein-Ruhr oder der Randstad). Für eine dermaßen kleine Region sollte man sich an seinesgleichen orientieren und dabei an den weltweiten Vorreitern orientieren. Beispiele für Systeme, die deutlich moderner sind in vergleichbaren Städten, sehe ich zum Beispiel in Kopenhagen, Vancouver, Mailand, Guadelajara, oder Toronto (aktuell im Bau)
Die lange Vorrede soll darauf hinführen, dass ich denke Berlin braucht ein neues (drittes) U-Bahn-System, dass sich am aktuellen Stand der Technik orientiert und das heißt: Automatisierte U-Bahn mittlerer Kapazität (es ist m.E. kein Zufall, dass ich mir eine Übersetzung für light metro selbst ausdenken muss, weil es keine deutsche Entsprechung gibt). Dieses System hat einige Vorteile: erstens die höhere Geschwindigkeit (bis zu 105 km/h), zweitens die niedrigere Taktung (80-85 Sekunden sind möglich), drittens die geringeren Betriebskosten durch a) eingesparte Fahrer:innen, b) weniger Verschleiß wegen computergesteuerten Fahrens und c) weniger Beeinträchtigungen durch Betriebsstörungen, weil Fahrgäste mit Bahnsteigtüren, viertens die geringeren Baukosten, weil die Züge kürzer sind (3-4 Wagen) und deswegen deutlich kleinere und einfachere Stationen (Bahnsteiglänge von 60-80m im Vergleich zu min. 120m im Berliner Großprofilnetz) gebaut werden können. Die geringere Fahrzeugkapazität wird durch die hohe Taktung ausgeglichen, so dass hier kaum Abstriche nötig sind.
Streckenverlauf:
Die neue U-Bahn hat drei Abschnitte, die verschiedene Funktionen erfüllen. Es kann durchaus Sinn ergeben diese nacheinander umzusetzen, beginnend mit einem Vorlaufbetrieb im Abschnitt Karow-Weißensee, dann der wichtigen Anbindung bis zum Alex in die City Ost und schließlich der Verlängerung bis zum Südkreuz mit der niedrigsten Priorität.
BA1 – Buch-Weißensee:
Der erste Abschnitt dient der Erschließung der Wohnbaupotenziale in Malchow-West, Karow-Süd, Karow-Nord, Buch Süd und Buch Am Sandhaus, die in den nächsten 10-15 Jahren entwickelt werden. Das entspricht Potenzialen von circa. 7000 Wohnungen. In den Ortsteilen Buch, Karow und Stadtrandsiedlung Malchow wohnen jetzt schon zusammengenommen circa 35.000 Menschen, die von der Strecke profitieren. Noch ist hier zwischen Karow und Weißensee ein Bau weitgehend über die grüne Wiese möglich, was enorm Kosten spart, die Trasse folgt mit geringfügigen Änderungen dem Vorschlag der CDU Pankow (Achtung Paywall): Von der Regionalbahnstation Buch, unter der Bucher Chaussee entlang über eine Station an der Kreuzung Achillesstraße (Potenzial für P+R im Nordwestquadranten) geht es bis zum Halt „Alt-Karow“ an der Kreuzung mit der Bahnhofstraße und der Straße 52. Letzterer folgt die U-Bahn in Dammlage bis zur B2 und einer S-Bahnstation Malchow, wo eine verlängerte S75 und hoffentlich irgendwann die Nahverkehrstangente erreicht wird. Malchow wird westlich umfahren. Ein Halt an der Darßer Straße ist denke ich aktuell aufgrund der Siedlungsstruktur entbehrlich, sollte aber planerisch berücksichtigt werden. Durch das Gewerbegebiet entlang der B2 führt die Strecke in Hochlage auf einem Stahlbetonviadukt. Zwar müssen dafür einige Bäume entlang der Berliner Straße weichen, aber die CO2-Ersparnis rechtfertigt dies im Vergleich zum Tunnel. Auf Höhe des Nettos taucht die Trasse in den Untergrund ab und bedient zwei Stationen im Zentrum Weißensees: „Liebermannstraße“ mit dem Rathaus und Weißensee (Auf Höhe der aktuellen Bus- und Tramhaltestelle Weißer See). Hier besteht Umstieg zu den diversen Tramlinien und es endet der erste Bauabschnitt. Ein Betriebshof für die gesamte Linie lässt sich im Bereich Darßer Straße einrichten.
BA 2 – Weißensee-Alexanderplatz:
Die Strecke Weißensee-Alexanderplatz ist vor allem als Entlastung für die M4 und M5 gedacht. Insbesondere die M4 kommt mit dem starken Zuzug in den Bezirk Pankow an ihre Leistungsgrenzen. Mir missfällt an ähnlichen Vorschlägen, die auf einem Voll-U-Bahn-System aufbauen, dass diese fast immer unter der Greifswalder Straße langführen und so in vollständiger Konkurrenz zur M4 stehen, ja sie sogar ersetzen sollen. Einen Rückbau dieser wichtigen Verbindung halte ich für absolut nicht zu rechtfertigen. Deshalb habe ich für diesen Streckenteil einen Ansatz gewählt, der manchem vielleicht von der Metro 14 Nordverlängerung in Paris bekannt sein könnte: mit einer leicht umwegigen Streckenführung werden verschiedene Schnellbahnen verknüpft, durch die bessere Beschleunigung und höhere Streckengeschwindigkeit sind die Fahrzeiten aber massiv reduziert, was quasi alle, die zwischen den größten Hubs verkehren auf die neue U-Bahn umsteigen lässt. Das sind erfahrungsgemäß ca. 25% was nicht zu einer Einstellung der M4 führen kann. Die genannten Parameter führen zu folgender Linienführung: Von Weißensee unter der Indira-Gandhi-Straße entlang bis zur Fritz-Lesch-Straße (und demnach unter Umgehung des jüdischen Friedhofes), dann unter dem Volkspark bis zur Oderbruchstraße und einer Station „S Landsberger Allee“ auf dem Parvis des Tempodroms. Ein Umstieg zur Ringbahn, M5, M6 und M8 ist ohne weiteres möglich, ein Umstieg zur M10 benötigt einen Fußweg von ca. 400m. Anschließend wird der Landsberger Allee bis zur Otto-Braun-Straße gefolgt, wo nach einer kurzen Verschwenkung in die Vorleistung mit den Bahnsteigen parallel zur U5 eingefahren wird.
BA 3 – Alexanderplatz-Südkreuz:
Die Verbindung nach Südkreuz ist weniger prioritär und soll als Fingerzeig gelten, wie eine sinnvolle Verlängerung aussehen könnte. Südkreuz entwickelt sich nach und nach zum zweitwichtigsten Fernbahnhof Berlins und kann von einer direkten Verbindung in die City Ost nur profitieren, was insbesondere für die U2 und die Stadtbahn in den jeweils hochbelasteten Bereichen Nutzen entfalten würde. In der Berliner Innenstadt liegen die größten baulichen Schwierigkeiten. Ich hab die Trasse eingezeichnet, die mir am ehesten machbar scheint, aber überlasse die Bewertung gerne den Expert:innen: Von der Vorleistung bis zum Roten Rathaus, dann in einem neuen Tunnel unter dem Schlossplatz und dem linken Spreearm bis zum Spittelmarkt. Einen Halt und Umstieg zur M4 und U2 spare ich mir, da beide schon am Alex erreicht werden und keine Neuerschließung stattfindet. Der Lindenstraße folgend, entsteht ein Bahnhof an der Kreuzung Oranienstraße mit dem aktuellen M29 bzw. bei Umsetzung mit dem Kreuzberger S-Bahntunnel. Dann geht es mit mehreren Hausunterfahrungen zum Mehringplatz und unter der U6 durch. Hier kann ein Umstieg am Halleschen Tor zur U1, U3 und U6 entstehen. Andere Varianten über Mehringdamm oder Möckernbrücke lassen sich aber denken und wären allesamt zu prüfen. Anschließend durch die Großbeerenstraße, den Viktoriapark und die Grünverbindung zur Boelckestraße. Hier entsteht am Loewenhardtdamm eine Station zur Erschließung Neu-Tempelhofs. Dann ein Abzweig in den Werner-Voß-Damm, dem bis zum östlichen Vorplatz des Bahnhofes Südkreuz gefolgt wird. Meine präferierte Variante für die Verknüpfung zur Fernbahn wäre ein Bahnsteig unterhalb des Parkhauses mit Treppenaufgängen zur Nord-Süd-Strecke. Idealerweise wird das berücksichtigt, wenn diese Gegend eh für einen Regiohalt auf den Ringbahngleisen angefasst werden muss. Sollte sich das nicht als machbar erweisen, kann auch stumpf unter dem Vorplatz geendet werden, dann mit längeren Umsteigewegen insbesondere zur S2/S25/S26. Eine Verlängerung über Südkreuz hinaus finde ich nicht sinnvoll: die einzige sinnvolle Verknüpfung die noch erreicht werden könnte wäre die U9 am Friedrich-Wilhelm-Platz aber ich sehe darin kaum Nutzen, wenn man mit dem Regio vom Südkreuz zur Schlossstraße kommt.
Betriebsdaten:
Vom Takt her stell ich mir ca. 100 Sekunden vor, d.h. 36 Züge pro Stunde. Mit 3-Wagen-Zügen ähnlich denen, die in Kopenhagen für die Linien 3 und 4 genutzt werden (und die an die 60m-Bahnsteige passen) lässt sich eine Kapazität von 280×36=10.080 Personen pro Stunde pro Richtung erreichen. Im Vergleich dazu sind die Kapazitäten auf der vielgenutzten U5 mit Baureihe J (673 Plätze) und einer voraussichtlich maximalen Zugfolge von 150 Sekunden zwar Höher (673×24=~16.200 Personen pro Stunde pro Richtung). Aber hier sind alle Spielräume ausgereizt, während für die light metro noch mit deutlichen Leistungszuwächsen gerechnet werden kann.
Die Züge können 100 km/h schaffen, die sie insbesondere zwischen Karow und Malchow sowie Alex und Weißensee auch ausfahren können. Die Fahrzeiten betragen:
11 Minuten: Buch-Weißensee (statt 33 Minuten aktuell und -1 Umstieg)
6 Minuten: Weißensee-Alex (16 Minuten aktuell)
18 Minuten: Buch-Alex (statt 29 Minuten aktuell und -1 Umstieg)
8 Minuten: Alex-Südkreuz (statt 18 Minuten aktuell und -1 Umstieg)
15 Minuten: Weißensee-Südkreuz (statt 36 Minuten und -1 Umstieg)
24 Minuten: Buch-Südkreuz (statt 36 Minuten aktuell)
Ich freue mich auf euer Feedback und bin gespannt auf die Diskussion.
Viele Grüße
Hedwigdashuhn
Sind die wenigen Haltestellen so beabsichtigt? Das sieht mir nämlich nach sehr wenig aus, die Erschließungswirkung wäre wahrscheinlich nur gering was dann auch die Fahrgastzahlen dementsprechend beeinflusst und diesen Vorschlag zu teuer macht.
Diese U-Bahn soll extra einen Umweg fahren, damit die Anwohner der Greifswalder Straße weiterhin die überlastete und langsame M4 nutzen müssen anstatt eine moderne U-Bahn zu bekommen?
Es ist der Sinn der U10, die Straßenbahn zu ersetzen, weil die dortigen Fahrgastzahlen eine U-Bahn rechtfertigen.
Zudem gefällt mir dein Betriebskonzept nicht: Wenn du direkt zu Beginn mit maximalem Takt planst und die Bahnsteige gerade einmal so lang wie die Züge selbst sind, wird diese Linie direkt zu Eröffnung schon mit maximaler Auslastung betrieben. Falls die Linie doch besser angenommen werden sollte als zunächst erwartet, ist die Linie schon direkt überlastet.
Ich sehe daher keinen Grund, nicht das normale Großprofil zu nutzen, allein schon wegen der Bauvorleistung am Alexanderplatz.
Zudem würde diese Linie mit Sicherheit von Anfang an vollautomatisch betrieben werden, dafür ist kein „Mittelprofil“ nötig.
Auch die Höchstgeschwindigkeit von über 100km/h wäre im Großprofil auch möglich, sofern die BVG es in der Ausschreibung der neuen Fahrzeuge fordern würde. Bislang sind solche Geschwindigkeiten unnötig, da die Haltestellenabstände dafür zu dicht sind.
Ich persönlich finde, dass eine ebenerdig erreichbare Straßenbahn in einem Rasengleisbett eher in ein modernes Stadtbild passt, als im Untergrund liegende, schlecht erreichbare und manchmal unangenehm riechende U-Bahnen
1. Teure U-Bahn-Infrastruktur zu bauen, nur um dann 3-Wagen-Züge einzusetzen, ist absurd
2. Automatische U-Bahnen sind doch kein neues System. Die Linien U2 und U3 in Nürnberg wurden auch im Nachhinein auf vollautomatischen Betrieb umgestellt, während der Überbrückungszeit fuhr man dort sogar im Mischbetrieb!
3. Der technisch minimal mögliche Zugfolgezeit beträgt 90 Sekunden (vgl. geplante U5 Hamburg). Allerdings benötigt man trotzdem Puffer, damit nicht alles kollabiert
4. Bei den teils engen 90-Grad-Kurven sind sicher keine 100 km/h möglich.
5. Die geringen Baukosten sind ja wohl nicht dein Ernst. Man braucht genau gleichviel Fahrzeuge, wenn man alle 5 Minuten in Doppeltraktion oder alle 2,5 Minuten in Einfachtraktion. Es läuft aufs gleiche hinaus.
6. Welche großen Hubs werden denn zwischen Alex und Weißensee erreicht? Und warum soll man einen teuren Tunnel im Bogen nach Weißensee gebaut werden, damit die Straßenbahn nicht ersetzt werden würde. Das wäre extrem unwirtschaftlich.
7. In Westberlin gibt es schon ein sehr dichtes U-Bahn-Netz. Da braucht’s keine light metro, die auch noch gefühlt nirgends hält
8. Parallelverkehr zu U6
Es ist der Sinn der U10, die Straßenbahn zu ersetzen, weil die dortigen Fahrgastzahlen eine U-Bahn rechtfertigen.
Wahrscheinlich ist deswegen seit guten 30 Jahren keine U10 mehr, sondern höchstens eine U3 nach Weißensee geplant. Von einer zwangsläufigen Einstellung der Straßenbahn oben war aber bisher nie die Rede.