Beschreibung des Vorschlags
Leipzig ist mit mehr als 600.000 Einwohnern nicht nur die größte Stadt Sachsens, sondern sogar die größte Stadt Ostdeutschlands mit Ausnahme von Berlin. In den letzten 20 bis 25 Jahren ist die Stadt stark gewachsen und hat vor etwas mehr als drei Jahren, im Dezember 2021, erstmals seit 1956 wieder die Marke von 600.000 Einwohnern erreicht.
Bereits vor der Wiedervereinigung Deutschlands schrumpfte Leipzig konstant um einige wenige Prozent pro Jahr. Während im Jahr 1955 noch ungefähr 613.000 Menschen in der Stadt lebten, waren es rund 30 Jahre später, im Jahr 1988 kurz vor der Wende, nur noch 545.000 Menschen. Infolge der Wiedervereinigung beschleunigte sich diese Schrumpfung erheblich, was dazu führte, dass Leipzig in den nächsten 10 Jahren mehr als 100.000 Einwohner verlor und somit nach Stand 1998 noch 437.000 Einwohner hatte.
Durch die Eingemeindungen mehrerer Ortschaften nach Leipzig in den Jahren 1999 und 2000 steig die Einwohnerzahl wieder auf 493.000 Menschen und nach einer minimalen Schrumpfung im Jahr 2001 zeigte die Stadt ein Jahr später erstmals seit langem wieder ein natürliches Bevölkerungswachstum. Zuletzt war das 1965 geschehen.
Leipzig war neben Dresden eine der ersten Städte, die das erreichen konnte und zudem eine der wenigen, die das überhaupt erreichen konnten. Chemnitz erreichte es deutlich später, nämlich erst 2010, ähnlich wie Halle (Saale) als Nachbarstadt von Leipzig, Zwickau hat es bis heute nicht geschafft ein anhaltendes Bevölkerungswachstum zu erreichen. Während Zwickau im Jahr 1988 noch fast 122.ooo Einwohner hatte, sind es zurzeit gerademal 87.000 Einwohner.
Für Mitteldeutschland ist Leipzig historisch gewachsen das bedeutsamste Zentrum für Wirtschaft, Verkehr und auch Kultur. Leipzig ist die Stadt der alternativen Kreativszene und eine der wichtigsten Messestädte Deutschlands. Leipzig ist eines der sechs Oberzentren Sachsens und bildet mit der rund 35 Kilometer entfernten Großstadt Halle (Saale) den länderübergreifenden Ballungsraum Leipzig-Halle, in dem etwa 1,2 Millionen Menschen leben.
Das Leipziger Umland ist verhältnismäßig dünn besiedelt und mit Ausnahme von Halle sind die nächstgelegenen Großstädte weit entfernt. Nach Chemnitz sind es 80 Kilometer, nach Zwickau 85 Kilometer, nach Dresden 110 Kilometer und nach Magdeburg sogar 130 Kilometer. Das relativ weite und offene Leipziger Umland ist geprägt von den wenigen verdichteten Räumen und einigen verstreuten Mittelstädten, darunter beispielsweise Merseburg, Delitzsch, Markkleeberg, Schkeuditz, Wurzen oder Markränstädt.
Durch die Alleinlage Leipzigs verlaufen nahezu alle relevanten Pendlerströme aus diesen Mittelstädten direkt nach Leipzig. Selbst Menschen aus weiter entfernten Ortschaften wie Oschatz, Torgau, Döbeln oder Geithain pendeln zu einem erheblichen Teil nach Leipzig. Um den daraus resultierenden, nach Leipzig orientierten Pendlerverkehr zu bewältigen, hat die Stadt ein verhältnismäßig gut ausgebautes S-Bahn Netz mit dem modernen Citytunnel als leistungsfähiges Herzstück des Betriebs. Ein weiterer Ausbau ist in der nahen und mittleren Zukunft zu erwarten, schließlich sind Planungen an mehreren Projekten bereits relativ weit fortgeschritten.
Der innerstädtische Nahverkehr wird überwiegend durch die Straßenbahn abgewickelt, deren umfangreiches, gut augebautes Netz sich aktuell signifikant um den Hauptbahnhof als bedeutsamen Knotenpunkt konzentriert. Mit Ausnahme einer Linie, der Linie 2, halten dort alle Straßenbahnlinien. Auch hier bestehen umfangreiche und sinnvolle Planungen zum Ausbau des Netzes und des Angebots, die weitere Fortschritte der Verkehrswende ermöglichen.
Grundsätzlich ist das ein sehr gutes Nahverkehrsangebot, das heißt allerdings nicht, dass keine Defizite zu erkennen sind. Verbesserungen sind quasi immer möglich und vor allem auch notwendig um den sehr guten Zustand zu erhalten und auszubauen. Wenn man keine konsequente Vision für eine bessere Zukunft hat, wird man irgendwann hinter den Erwartungen und den Notwendigkeiten der Zukunft zurückbleiben. Es kann nicht reichen, sich auf gegenwärtigen Erfolgen auszuruhen, stattdessen muss man proaktiv daran arbeiten, die Zukunft zu gestalten.
Angesichts dieser offenkundigen Notwendigkeit muss man bereits heute analysieren, was die Herausforderungen der Zukunft sein werden und welche Entwicklungen man erwarten kann oder muss.
Gemäß aktueller Entwicklungen ist davon auszugehen, dass Leipzig weiterhin anhaltend wachsen wird, wenn auch mit abnehmender Wachstumsrate. Ganz konkret wird angenommen, dass bis zum Jahr 2040 ungefähr 664.000 Menschen in Leipzig leben werden, zwischen 623.000 und 697.000 Einwohnern wird allerdings vieles für möglich gehalten.
Ebenfalls stark wachsen sollen die nördlich von Leipzig gelegenen Gemeinden Rackwitz, Krostitz und Schönwölkau. Tatsächlich wird sogar erwartet, dass die genannten Gemeinden in den nächsten 15 Jahren die wachstumsstärksten Gemeinden im gesamten Freistaat sein werden.
Damit ist für mich offensichtlich, dass die gesamte Verkehrsanbindung dieses rapide wachsenden Nordraums im unmittelbaren Umfeld der Stadt neu gestaltet und für zukünftige Bedürfnisse und Entwicklungen optimiert werden muss. Zumal gerade an dieser Stelle bisher eher wenige Planungen zur Netzerweiterung stattfinden. Die Option einer Straßenbahn bis Lindenthal wird zwar offen gehalten, aber zurzeit nicht aktiv weiterverfolgt. Darüber hinaus gibt es keine weitreichenden Initiativen oder Konzepte die hier für Verbesserungen sorgen könnten.
In erster Linie dürfte es hier um die Verkehrsachse der S2 Bitterfeld – Delitzsch – Leipzig und die Zuführung zu den dort gelegenen Bahnhöfen gehen. Bei einer positiven Entwicklung würde hier eine Taktverdichtung stattfinden und das lokale Busverkehrsangebot umfangreich neu gestaltet und ausgebaut werden.
Ich möchte allerdings über das offensichtliche hinausgehen und mit einer Verlängerung der Leipziger Straßenbahn die breite Lücke zwischen den verschiedenen S-Bahn-Ästen schließen und ein attraktives Verkehrsangebot im Stadtumland nördlich von Leipzig neu aufbauen. Konkret meine ich damit eine Verlängerung der Straßenbahn aus Gohlis-Nord zunächst nach Lindenthal, wie von offizieller Seite offengehalten und dann weiter in Richtung Radefeld und Hayna mit einem atraktiven Endpunkt am Schladitzer See.
Damit soll ein hochwertiger Zugangspunkt nach Leipzig geschaffen werden, der unkompliziert erreichbar und nutzbar wäre und eine unmittelbare, enge Verknüpfung von Stadt und Umland schaffen kann.
Das aktuelle Busangebot in diesem Verkehrsraum ist bestenfalls mittelmäßig. Es ist teilweise lückenhaft, wenig strukturiert und undurchsichtig. Insgesamt ist es für die meisten Fahrgäste unatraktiv oder sogar vollkommen unbrauchbar, dadurch wird die Liniennachfrage niedrig gehalten und der Nahverkehr geschwächt.
Linie 90 von Wahren über Lindenthal nach Slevogtstraße und Möckern alle 20 Minuten
Linie 91 von GVZ nach Wahren im Halbstundentakt
Linie +190 von Möckern nach Radefeld im Stundentakt
Linie +207 von Schkeuditz über GVZ und Radefeld nach Hayna im Stundentakt
Aufgezählt wurden dabei nur die Teile der Buslinien, die für diesen Vorschlag relevant sind, sie sind in der Regel noch länger, wie beispielsweise die Linie 190, die bis nach Landsberg verkehrt, das ist an dieser Stelle aber vernachlässigbar.
Lindenthal als Stadtteil von Leipzig ist dabei noch verhältnismäßig gut angebunden, vor allem im Vergleich zu den Ortschaften im Umland. Ein 20-Minuten-Takt ist nach heutigem Maßstab eigentlich das beste, was man dort erwarten kann. Anders sieht das, wie gesagt, im Umland aus, denn von dort gibt es nur einen Stundentakt in Richtung Leipzig und zudem keine Direktverbindugen ins Stadtzentrum. Aus Hayna muss man in der Regel sogar doppelt umsteigen.
Bereits heute leben ungefähr 1.000 bis 1.500 Menschen in den Orten Radefeld und Hayna. Das zu erwartende Wachstum habe ich bereits beschrieben und angesichts der vorhandenen Entwicklungspotenziale ist das absolut plausibel. Durch die Weiterentwicklung und räumliche Gestaltung dieser Region wird ein attraktiver Standort für naturnahes Wohnen geöffnet und neuer Platz für Gewerbegebiete nahe der Autobahn geschaffen. Außerdem wäre eine Aufwertung des Schladitzer Sees als Freizeitstandort möglich, vergleichbar zu den Seen südlich von Leipzig, wie dem Kulkwitzer See, Cospudener See oder dem Markkleeberger See.
Der entscheidende begünstigende Faktor dafür ist die Optimierung und qualitative Aufwertung der Verkehrsanbindung in dieser Region. Das erfordert ein durchdachtes, gesamtheitliches Verkehrskonzept. Darunter nicht nur die Verlängerung der Straßenbahn, sondern auch, wie oben bereits erwähnt, die komplette Umstrukturierung des Busnetzes mit einer erheblichen qualitativen Aufwertung.
Das Grundgerüst dieses neuen Nahverkehrsnetzes wird die verlängerte Staßenbahnlinie 4 darstellen, ergänzt wird diese durch den Ausbau der Busverbindung von Radefeld nach Delitzsch, Landsberg und Schkeuditz, sowie einen neuen S-Bahnhof am GVZ Leipzig-Nord, einige hundert Meter südlich von Radefeld. Die genannten Maßnahmen profitieren jeweils voneinander und vergrößern den Nutzen der anderen Maßnahmen. Die Straßenbahn profitiert, genauso wie die Buslinien von einem attraktiven Anschluß an die S-Bahn, die S-Bahn profitiert von den zusätzlichen Fahrgästen durch die gute Anbindung des Bahnhofs und die Buslinien profitieren außerdem vom Anschluß an die Straßenbahn.