Beschreibung des Vorschlags
Mal vorneweg: Ich habe jetzt die ganzen Teilstrecken nicht unbedingt sorgfältig einzeichnet, da es in der Stadt sowieso ein bisschen beengt zu geht. Und alle Strecken sind, falls nicht anders gekennzeichnet, oberirdisch!
Die Idee
Egal welchen Korridor man betrachtet in Hamburg, irgendwie steht ja immer die Diskussion ob nach einem Metrobus nun eine U-Bahn kommen sollte oder ein komplett neues Straßenbahnsystem. Beides hat Vor- und Nachteile. Während eine U-Bahn z.B. deutlich mehr im Bau kostet, wird es wahrscheinlich schwer, in der Innenstadt noch Straßenbahntrassen unterzubringen ohne nicht große Flächen umbauen zu müssen.
Mein Vorschlag soll daher den Aspekt behandeln, U-Bahn und Straßenbahn fließend in einander übergehen zu lassen.
Die Umsetzung
1) Umbau der Strecken der U3:
Entlang der U3 müssten alle Bahnsteige schrittweise abgesenkt werden, um möglichst Niederflurige, ggf. auch Mittelflurige Stadtbahnwagen aufnehmen zu können (Ausnahme siehe unten*). Außerdem müsste ggf. die Stromschiene durch eine Oberleitung ersetzt werden oder man setzt auf Zwei-System-Wagen mit Stromschiene und Oberleitung. Die Strecken der U3 bieten sich dafür an, da sie ein in sich geschlossener Ring bilden und an vielen Stellen die Hauptradialachsen schneiden.
Auf LST-Ebene muss die Strecke auf jeden Fall eine Zugfolge von 90-120 Sekunden ermöglichen, da es durch die neuen Durchbindungen signifikante Mehrverkehre geben wird.
2) Ausfädelungen zur den Radialachsen
Am Schnittpunkt der U3 mit den wichtigen Achsen (z.B. entlang des Fischmarkts nach Altona, nach Nienburg, in Barmbek, etc. müssen Rampenbauwerke von der U-Bahn auf die Straßenebene gebaut werden. Im Anschluss können die Fahrzeuge als Straßenbahnen weiter zu den Endpunkten fahren (die Strecken habe ich nicht einzeichnet, und die Ausfädelungen sind nur Ideen, ggf. könnte man auch mehr realisieren oder auf eine andere Art und Weise)
Die Strecke nach Schenefeld habe ich bewusst an der Rampe beim Rödingsmarkt ausgefädelt, um noch weitere innerstädtischen Gebiete zu erschließen.
3) Die Fahrzeuge
Ein ideales Fahrzeug wäre ein Niederflurtriebwagen mit ca. 37,5 Metern länge und einer Breite von ca. 2,50-2,60 Metern. In einer Doppeltraktion würde somit größenordnungsmäßig dieselbe Kapazität wie bei einer DT5-Doppeltraktion angeboten. In der SVZ könnte man auch dann mit geringerer Kapazität fahren.
4) Das Betriebskonzept
Der Ring der U3 wie aktuell alle 10 Minuten durchgehend befahren werden, und auf Teilstrecken durch die verschiedenen Streckenäste verdichtet werden. Somit ist auf dem zentralen Abschnitt zwischen Rathausmarkt und Berliner Tor mit einer Zugfolge von rund 2-3 Minuten zu rechnen.
Kritik und Ausblick
Natürlich bedeutet eine solche Lösung ein krasser Einschnitt in die „etablierte“ U-Bahn, aber gerade im Anbetracht möglicher Baukosten für neue Tunnelstrecken bietet eine solche „Kombilösung“ verhältnismäßig günstig die Möglichkeit, auch neue Radialachsen umsteigefrei und schnell in die Innenstadt anzubinden, ohne dort große Baumaßnahmen realisieren zu müssen.
* Als Kleinstlösung könnte man auch überlegen, auch im Straßenraum mit „Hochflurfahrzeugen“ zu verkehren, dies müsste ggf. aber den Baukosten für die Absenkung der Bahnsteige und v.a. der stadträumlichen Wirkung ebendieser entgegen gestellt werden.
Die Hamburger Straßen sind proppenvoll, da auch noch Straßenbahngleise durchzulegen ist echt kontraproduktiv!
Außerdem hat Hamburg doch genug Geld, dann lieber noch ein oder zwei zusätzliche U-Bahnen!
Man kann auch beides machen, wo es sinnvoller ist. Auf Radialen wie der Grindellinie (Dammtor – Siemersplatz). einer Anbindung vom Bf. Diebsteich oder einer zweiten Elbquerung wird man um eine U-Bahn nicht rum kommen, dafür ist das Verkehrsaufkommen zu hoch. Eine höherwertige Tangentiale kann Hamburg sicher auch gebrauchen, der Ring liegt ja sehr weit innen und ist eher ein Effekt aus Hamburgs besonderer Stadtstruktur um die Alster herum.
Die betrieblichen Schwierigkeiten, die amadeos Mischverkehr mit Stadtbahnfahrzeugen und nicht linienreinen Stammstrecken verursacht überzeugt mich zwar auch nicht, Hamburgs dogmatische Ablehung von schienengebundenen Oberflächenverkehr verstehe ich aber noch wenigern. Wien, München, Berlin (sort of) – Straßenbahnen können auch in Millionenstädten mit existierender Voll-U-Bahn eine wichtige Verkehrsrolle übernehmen.
Der U-Bahnbau würde vor allem dem Autoverkehr dienen, da die vorhandenen Busspuren dann wieder dem IV zur Verfügung stünden. Es ist auch falsch zu glauben, dass man mit Straßenbahnen weniger Menschen befördern könnte. Straßenbahnzüge können bis zu 75 m lang sein und wären damit nur wenig kürzer, als U-Bahnzüge. Sie dürfen aber auf Sicht fahren, was eine wesentlich dichtere Zugfolge ermöglicht, als auf Tunnelstrecken, wo in Blockabständen gefahren wird. Außerdem kann eine U-Bahn ein Gebiet nur linear erschließen, während eine Straßenbahnstrecke sich verzweigen kann und so weniger Zubringerverkehre nötig wären. Okay, U-Bahnen könnte man natürlich theoretisch auch verzweigen lassen, aber das wäre unbezahlbar. Ein verzweigtes Straßenbahnnetz wäre dagegen immernoch weitaus billiger, denn U-Bahnstrecken kosten mindestens das zehn bis fünfzehnfache!
Fazit: Wer U-Bahnen fordert, fördert den Autoverkehr, weil er Platz an der Oberfläche schafft. Wer den ÖPNV fördern will, sollte sorgfältig mit dem verfügbaren Geld umgehen, um einen möglichst hohen Nutzen zu erzielen. Das geht nur mit Straßenbahnen!
Moderne Straßenbahnzüge (Flexity, Variobahn, Avenio) kommen auf 30-40 Meter, mit Jumbo-Ausreißern nach oben wie die Flexity Basel mit 43,2 m. Mit Doppeltraktion kommt man in den Bereich um die 80m, dann ist für die klassische Straßenhahn aber entgütlig Schluss – alles darüber muss schon mit erhöhtem Aufwand als Stadtbahn gebaut werden.
In der Breite sind 2,65 m das obere Limit – Hamburg und Berlin kommen da mit ihren U-Bahnen zwar gerade so hin; Wien, Nürnberg und München liegen mit 2,9 m allerdings spürbar darüber. An Donau und Isar wird übrigen nicht mit Signalen und Blockabstand, sondern signallosem LZB gefahren – bei Taktzeiten von bis zu zwei Minuten. Die Victoria Line (London) holt aus dem Betrieb mit Fahrer sogar noch mehr raus – in der HVZ mit einer Taktfolge von 100 Sekunden, 36 Züge die Stunde. Vollautomatische Betriebe kommen dann Richtung 90 Sekunden oder sogar noch weiter runter.
Das sind Zugfolgen, die auch bei Straßenbahnen im Sichtbetrieb kaum noch zu übertreffen sind, baut man nicht jede Haltestelle auf doppelte Länge um Stau zu vermeiden.
Ich bin ja selber auch Freund von Straßenbahnen und heilfroh, dass die bundesdeutschen Tramnetze wieder wachsen. Der Behauptung, mit Straßenbahnen aber die gleiche Verkehrsmenge wie mit Voll-U-Bahnen bewältigen zu können kann ich aber nicht folgen. Kosten viel mehr, klar (so ruinös sind Abzweige übrigens auch nicht, dreigleisige Station plus höhenfreie Ausfädelung), bewältigen aber mehr Verkehrsmenge und sind ingesamt schneller als Straßenbahnen – je dichter der Takt, desto schwerer die Tram-Tricks wie Vorrangschaltungen. Wenn die Verkehrsmenge es erfodert (und das tut die Grindellinie im Hamburg), dann hilft irgendwann nur noch das große Kreuz.
Die Busspuren können für den Lokalverkehr ja erhalten bleiben. Oder sie dienen als Radlexpressweg.
Also auf dem M5 haben wir ja aktuell 18 Busse pro Stunde (3/3/4-Takt). Bei eine Vollauslastung ergibt das circa ein Angebot von 3600 Pers./h.
Ersatz durch U-Bahn
Ein 5-Minuten-Takt einer U-Bahn ergibt ca. 8400 Pers./h als Kapazität (Dotra DT5)
Ersatz durch Straßenbahn
Ein 5-Minuten-Takt einer Tram ergibt ca. 5800 Pers./h als Kapazität (Dotra NET2012 aus Karlsruhe).
Letztendlich schafft man also schon mit einem 5-Minuten-Takt einer deutlich höhe Kapazität als mit dem Ist-Zustand angeboten wird. Um Taktfolgen von 90-100 Sekunden bei einer U-Bahn zu rechtfertigen, muss die Nachfrage sich ja quasi Verzehnfachen, und das ist in Hamburg bei allem Optimismus nicht zu erwarten …
Da die Straßen genug Platz für eine Straßenbahn bieten, sollte man die Chance also eher für die Neugestaltung der Straßenräume mit Tram nutzen also eine U-Bahn unten drunter legen. Weil ist ein mal der Platz geschaffen, kommt ganz schnell die Auto-Lobby und nimmt sich diesen wieder …
Taktzeiten von zwei Minuten oder drunter sind natürlich Maximalwerte, die in anderen Städten allerdings schon an der Tagesordnung stehen. Projekte von Anfang an auf Kante zu nähen sollte man eh nicht, wenn man in den ersten Betriebsjahren gemütlich mit 5min-HVZ einsteigen kann ist es dank Luft nach oben eh besser.
Es darf natürlich gefragt werden, wie viele Leute den ÖPNV meiden (Busse sind halt unbequem) und wie viele Leute auf andere höherwertige Korridore ausweichen, die die U5 entlasten würde. Ohne präzise Daten aber Kaffesatzleserei.
Zu deinem letzten Absatz: du hast ja Recht, leider – ist immer noch Hamburg. Ich bin schlicht nicht überzeugt, das eine Straßenbahn nachhaltig die Verkehrsprobleme löst – auf dieser Verkehrsachse, anderswo definitiv. Es wäre politisch natürlich ein wichtiger Schritt, den freiwerdenen Platz andersweitig zu reservieren – sei es durch Radspuren, verbleibende Busspuren (evtl. elektrisch) oder schlicht einen begrünten Mittelstreifen.
Wie Amadeo schon sagte kann schon mit einer Straßenbahn im 5-min-Takt die Kapazität deutlich erhöht werden. Seinen Zahlen vertrauend errechne ich, dass im 2-min-Takt die Straßenbahn sogar 14.500 Fahrgäste pro Stunde befördern könnte. Wenn dort heute 3600 Personen unterwegs sind, dann reicht das auch langfristig.
Zur Bewältigung des Fahrgastaufkommens sollte daher unbedingt eine Straßenbahn gebaut werden, denn die könnte auch in absehbarer Zeit realisiert werden, während eine U-Bahn bis zur Fertigstellung Jahrzehnte benötigen kann, in denen sich die Fahrgäste weiter mit Bussen abquälen müssten.
Wenn eine Straßenbahn hier tatsächlich (auch für zusätzlich generiertes) Fahrgastaufkommen reicht und auch einen erkennbaren Zeitvorteil bietet, bitte. Nicht, dass man sich dann in Hamburg 10 Jahre später ärgert, weil nun statt übervoller Doppelgelenkbusse sich übervolle Trams die Achse entlang drücken.
Naja, aber das ist doch auch keine Lösung. Die Straßen sind ja auch u.a. voll, weil zu wenig Leute den ÖPNV nutzen. Dann muss eben das Push-and-Pull-Prinzip her:
PUSH: Ich verkleinere die Fläche vom Straßenverkehr und gebe diesem einer Straßenbahn, etc. Dadurch wird erstere unattraktiver und Fahrgäste steigen in den ÖV um.
PULL: Ich gestalte ein Attraktives ÖV-Angebot, und ziehe hiermit die Fahrgäste.
Nur „Pull“ wird nicht funktionieren, wenn weiterhin das Pendeln und das Durchqueren der Stadt auf dreispurigen Stadtstraßen so einfach ist. Da kann man noch so teure U-Bahnen bauen, man wird nicht die Verlagerung schaffen, wie mit einem zusätzlichen „Push“ (also Straßen verkleinern). Im Vergleich zu anderen Großstädten hat ja Hamburg ein sehr großen Flächenverbrauch durch Straßenverkehrsfläche, und der einzige nachhaltige Schritt in die Zukunft wäre nun mal, diese neu zu Verteilen und dabei keine Dogmen setzen.
Außerdem wäre ja immer noch die Variante „Flexible Straßenbahn, die aber auch unterirdische Abschnitte befahren kann, möglich. Das ist dann nichts Anderes als eine Stadtbahn.